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Petition: ‚Kinder brauchen Kinder‘

Ihr Lieben, wie ihr bereits wisst, bin ich Mutter von zwei Kindern im Alter von 12 und 9 Jahren. Schule, Freunde treffen, Ballett, Fußballverein, Spielplatz und Austausch mit Gleichaltrigen – auf all das müssen sie, wie alle Kinder in Länder mit Lockdown, auf unbestimmte Zeit verzichten. Mir fehlt es gerade äußerst schwer, bei diesem Thema nicht emotional zu werden, mitanschauen zu müssen, wie mein Sohn regelrecht depressiv wird, weil ihm alles, wofür sein Herz gebrannt hat, auf einen Schlag genommen wurde. Auch wenn ich natürlich bereits vor Corona sehr viel Zeit mit meinen Kindern verbracht hatte und es mir jetzt auch nichts ausmacht, noch mehr für sie da zu sein, so kann ich Ihnen dennoch nicht das bieten, was sie im Kontakt zu Gleichaltrigen bekommen würden. Ich mache mir wirklich große Sorgen um die Seelen unserer aller Kinder und möchte euch daher auf die Petition ‚Kinder brauchen Kinder: Öffnung der Kindertagesstätten und Grundschulen‘ aufmerksam machen.

www.kinderbrauchenkinder-petition.de
info@kinderbrauchenkinder-petition.de
#kinderbrauchenkinder


Kinder brauchen Kinder

Für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung ist der Kontakt zu Gleichaltrigen und Personen außerhalb der Kernfamilie essentiell. Soziales Lernen, schulisches Lernen und Anregungen durch pädagogische Fachkräfte entfallen aufgrund der geltenden Beschränkungen und können in den Kernfamilien wegen der aktuellen Ausnahmesituation nicht adäquat ausgeglichen werden. Bei allen bisher in den Bundesländern diskutierten Lösungen soll nur einem kleinen Teil der Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren der Zugang zu Bildungseinrichtungen ermöglicht werden. Ein von den Eltern unabhängiges Sozialleben ist für Kinder in diesem Alter kaum möglich. Aktuell bedeutet das für einen Großteil von ihnen soziale Isolation über einen nicht absehbaren Zeitraum hinweg, da schon die Begleitung zweier nicht verwandter Kinder durch Erwachsene in der Öffentlichkeit nicht eindeutig geregelt ist. Impulspapier: Kinder müssen leider draußen bleiben!

Von Wissenschaft und Virenschleudern

Seit nunmehr acht Wochen wird Kindern die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt –  doch auf welcher Grundlage wird an dieser Entscheidung inzwischen festgehalten?

Zu Beginn der Pandemie ergaben Schul- und Kita-Schließungen Sinn. War doch bekannt, wie schnell sich manche anderen Viren in Kitas verbreiten. Die scharfen, aber sinnvollen Einschnitte betrafen alle Bevölkerungsschichten. Fünf Wochen lang übten wir uns solidarisch in social distancing. Fünf Wochen lang befanden sich Kinder in sozialer Isolation. Während verschiedene Lockerungen der Maßnahmen entschieden wurden, gab es drei weitere Wochen lang keine Lockerungen für Kinder. Acht Wochen mögen uns als Erwachsene kurz erscheinen – für Kinder sind sie eine sehr lange Zeit. In dieser Zeit durften sie ihre Freunde nicht treffen, fehlten Strukturen aus Kindergarten und Schule und sind Freizeiteinrichtungen geschlossen. Noch dazu hat nicht jedes Kind viel von seinen zu Hause gebliebenen Eltern, da diese im Home Office arbeiten müssen. 

Inzwischen wurden viele Stimmen, sowohl private als auch die von Fachleuten laut und auch in der Politik fanden Kinder Erwähnung . All diese Stimmen betonen die Dringlichkeit, Kindern wieder Zugang zum öffentlichen Leben zu ermöglichen. Bisher finden sie nur wenig Gehör. Einen konkrete Plan zu Ausgestaltung gibt es durch die Politik bisher noch nicht. Während in verschiedenen Nachbarländern inzwischen schrittweise zur regulären Betreuung von Kindern und Schulen übergegangen wird, scheint dies in Deutschland in weite Ferne gerückt. 

In Deutschland hingegen überschlagen sich Meldungen zu Forschungsergebnissen bezüglich der Viruslast bei Kindern. Es wird daraus eine von Kindern ausgehende Ansteckungsgefahr abgeleitet, die so bisher nicht bewiesen werden konnte. Trotzdem wird mit großen Schlagzeilen vor der Öffnung von Kitas und Schulen gewarnt. Eltern werden durch diese Meldungen verunsichert, schließlich wollen sie weder ihre eigenen Kinder noch andere Menschen einer Gefahr aussetzen. Gleichzeitig sorgen sie sich um ihre Kinder, die inzwischen teilweise deutlich unter den massiven Einschränkungen leiden. 

Die aktuelle Debatte um die Öffnung von Kindergärten und Schulen braucht dringend mehr Besonnenheit. Fachleute betonen, dass ein Blick auf die Gesamtheit der aktuellen Forschungsergebnisse auf eine geringe Virusübertragung durch Kinder deutet . In der hitzig geführten Debatte um unsere Kinder finden diese besonnenen Worte jedoch wenig Gehör.

Kinder werden durch reißerische Berichterstattung zu Superspreadern der Pandemie deklariert obwohl es bisher keine Berichte von gehäuften Ansteckungen in Notbetreuungseinrichtungen gab. Dort, wo insbesondere Kinder betreut werden, deren Eltern im medizinischen Bereich oder im Einzelhandel tätig sind und somit großer Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. 

Was festzustellen bleibt: Eine umfassende und abschließende Beurteilung der Verbreitung des VIrus durch Kinder wird erst in Monaten oder Jahren möglich sein. Politisch ist es vollkommen zurecht nicht gewollt, dass Menschen, die zur Risikogruppe gehören, in die soziale Isolation gedrängt werde –  die Isolation der Kinder wird aktuell als unvermeidlich hingenommen 

Es wird eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, die Schwächsten zu schützen, vor einer Krankheit, aber auch den gesamtgesellschaftlichen Folgen der aktuellen Maßnahmen. Dies bedeutet ein ausgewogenes Verhältnis von Infektionsschutz und einer Wahrung der Menschenwürde und des Rechts auf Freiheit. 

Dabei darf eins nicht vergessen werden: Diejenigen, die sich in den letzten acht Wochen am meisten solidarisch gezeigt und sich im Vergleich zu sämtlichen anderen Bevölkerungsschichten maximal eingeschränkt haben, sind die Kinder!

Umso mehr bestürzt es, welche Rolle Kinder in der Diskussion bezüglich der Öffnung von Kindergärten und Schulen aktuell erhalten. Sie werden zu Objekten degradiert. Objekte, die gefährlich sind, geschützt werden oder betreut werden müssen. Im Infektionsgeschehen werden sie als “Virenschleudern” bezeichnet. Im Rahmen der Notbetreuung werden sie eingeteilt nach dem Bedarf, der sich aus den Berufen der Eltern ableitet, nicht aber ihren eigenen Bedürfnissen. 

Kindern werden elementare Grundrechte verwehrt – gesellschaftliche Teilhabe im Einklang mit dem Infektionsschutz wird ihnen nicht ermöglicht. Gerechtfertigt wird dies mit dem reinen Konjunktiv, dass Kinder ähnlich ansteckend sein könnten (!) wie Erwachsene. Ebenjene, denen kürzliche erfolgte Lockerungen wieder deutlich mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. 

Anhand der bisher getroffenen Aussagen seitens der Politik haben wir Zweifel, dass die angedachten Maßnahmen wirklich den besten Kompromiss zwischen Infektionsschutz und gesellschaftlicher Beteiligung der Kinder ist. Eine Betreuung in festen Kleingruppen durch ausgebildete Erzieher/innen ist aus unserer Sicht hinsichtlich beider Aspekte gegenüber der Öffnung von Spielplätzen vorzuziehen, wo sich täglich immer wieder unterschiedliche Familien treffen und Infektionsketten wesentlich schlechter verfolgt werden können. 

Wir haben nicht den Eindruck, dass die angekündigten Details zu den angestrebten Plänen zur Wiedereröffnung von Kindergärten und Schulen ausreichend am Kindeswohl ausgerichtet sind. Wichtig wird in der gesamten Debatte sein, Kinder wieder als vollwertige Subjekte zu diskutieren und sie von ihrer fälschlicherweise zugeschriebenen Rolle als Virenschleudern zu rehabilitieren.

Jetzt ist es dringend nötig, dass wir Erwachsenen unsere Verantwortung übernehmen und Solidarität mit den Kindern zeigen. Indem wir weiterhin die Kurve flach halten #flattenthecurve und gleichzeig unseren Kindern wieder die gesellschaftliche Teilhabe, die ihnen zusteht, ermöglichen.

Dieser Text ist ein Auszug aus der Petition Kinder Brauchen Kinder, die vollständige Textfassung findet ihr auf der Seite der Petition Kinder brauchen Kinder

Lesenswerte Seite: https://www.spektrum.de/news/kinder-sollen-wieder-miteinander-spielen-koennen/1728810

Ein lesenswerter Blogartikel von Dr. Jan-Martin Wiarda. https://www.jmwiarda.de/2020/05/05/jetzt-sind-erstmal-die-kitas-und-schulen-dran/